Kretschmann gefeiert: Fastnachts-Jeck in Aachen wie zu Hause

28.01.2018 - Winfried Kretschmann ist der 69. Ritter des Ordens „Wider den tierischen Ernst“. Der baden-württembergische Ministerpräsident wurde am Abend unter dem tosenden Beifall von 1250 Festgästen im Aachener Eurogress ausgezeichnet. Kretschmann nahm den Orden aus den Händen von Dr. Werner Pfeil, Präsident des Aachener Karnevalsvereins (AKV) entgegen und eroberte das Publikum mit einer humorvoll ironischen Ritterrede. Eine Fernsehaufzeichnung der Sitzung ist am Montagabend, 29. Januar, ab 20:15 Uhr im Ersten zu sehen.

Warum er überhaupt nach Aachen gekommen sei, machte der Schwabe Kretschmann gleich zu Beginn klar: „Erstens krieg ich was. Und zweitens koschtet es nix.“ Dann aber erwies sich der Baden-Württembergische Ministerpräsident als echter Brückenbauer. Als einer, der Europa den Geist der Freiheit, der Fairness und des Zusammenhalts wünscht. „Und ein bisschen was von dem, was hier in Aachen ‚E Jeföihl‘ heißt: Menschlichkeit und Zusammenstehen, gerade auch in schweren Zeiten.“

Das kam in der Europastadt natürlich bestens an, wo man in der Karnevalszeit stolz darauf ist, auch mal Narr sein zu dürfen. Und das zu Recht, denn, so Kretschmann: Bei den Trumps, den Putins, den Erdogans könnte man zwar darauf kommen, sie als Narren zu bezeichnen, doch das seien sie nicht. „Narrenmund tut nämlich Wahrheit kund. Außerdem hat ein Narr das Herz am rechten Fleck!“, so der neue Ordensritter.

„Winfried Kretschmann ist so schlagfertig in der Sprache wie bedächtig in der Sache. Er genießt Respekt und Anerkennung weit über die Parteigrenzen hinaus“, hatte AKV-Präsident Dr. Werner Pfeil vorher aus der Begründung des Elferrats zitiert. Oft verstehe das Volk Kretschmann sogar besser als die eigene Partei. Denn er gelte als grüner Erneuerer und konservativer Bewahrer. „Vor allem aber ist sein Anspruch, jeden Menschen so zu nehmen, wie er ist“, so Pfeil weiter. Und das sei nichts anderes als die schwäbische Form von „Jeder Jeck ist anders“.

Die Laudatio hatte zuvor der Ritter des Vorjahres, Dr. Gregor Gysi gehalten, der seinem Nachfolger ins Stammbuch schrieb, glaubwürdig und authentisch zu sein. „Deshalb mag ich Sie besonders, wenn Sie unverhohlen Ihren Ärger über Dinge zeigen, die quer laufen, wenn Sie leicht cholerisch schimpfen. Man merkt, dass es echt ist und das hat für Nichtbetroffene immer auch einen gewissen Unterhaltungswert“, so Gysi in seiner Laudatio. „Ich weiß, dass Sie Humor haben und dass viele genau diesen an Ihnen schätzen. Das gilt für politische Freundinnen und Freunde und für politische Gegnerinnen und Gegner. Ich möchte, dass Sie sich Ihren Humor bewahren, weil er das Leben sehr viel erträglicher macht.“

Rund drei Stunden lang hatten zuvor Tagesschausprecher Jens Riewa, Dr. Werner Pfeil und Elferrat David Lulley durch ein vielseitiges Programm aus Öcher Flair, politischem Witz und viel Musik geführt. Ein Abend, an dem es gleich mehrfach feierlich wurde, einmal auch wehmütig: denn nach den Verleihungen des Lambertz-Ehrenpreises an das Tanzpaar der KG Horbacher Freunde, Cathleen Gentz und Patrick Recktenwald, sowie des Zentis-Kinderpreises an die Community Kids der Ersten Walheimer KG und der KG Orjenal Mönster Jonge, die beide tolle Auftritte hinlegten, flossen sogar Tränen.

Nach 33 Jahren stand AKV-Ehrenpräsident Dirk von Pezold zum letzten Mal als Öcher Original Lennet Kann auf der Bühne – wie immer ein hervorragender Auftritt, der mit besonderem Abschiedsapplaus gewürdigt wurde. Und ihr Garantieversprechen für gute Stimmung lösten auch die 4 Amigos wieder ein, die erst auf der Bühne den Saal und später noch die After-Show-Party im Foyer rockten.

Überhaupt, Aachener Kräfte waren sehr präsent auf der Bühne: Prinz Mike der Erste und Märchenprinz Julius I. mit ihren Prinzengarden, das Tanzpaar der Prinzengarde der Stadt Aachen, Sarah Schiffer und das AKV-Ballett, Kurt Christ, das Colynshof Duett, die Dance Company TN´Boom, Kabarettistin Liza Kos und Hastenrath´s Will, der das Aachener Umland repräsentierte, sorgten für beste Stimmung. Das schafften auch der TV-bekannte Comedian Guido Cantz und – fulminant – Kabarettist Wilfried Schmickler als Öcher Urvater Kaiser Karl, der der heutigen Politik die Leviten las.

Ein buntes Programm also, zu dem – wie beim AKV üblich – natürlich auch ein großer Anteil Politik gehört. Nirgendwo sonst trauen sich so viele Politiker in die Bütt. Diesmal am Start: Das Duo Cem Özdemir (Grüne) und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (in seinem Aachener Heimspiel) auf der Suche nach einer Insel namens Jamaika sowie ein Joint rauchender Alexander Graf Lambsdorff (FDP) und die charmante Julia Klöckner (CDU). Prüfung bestanden!

Die größte Aufmerksamkeit gehörte natürlich dem schwäbischen Brückenbauer ins Rheinland, dem neuen Ritter. Und der ließ rhetorisch zusammenwachsen, was zusammengehört: „Rheinischer Sauerbraten und badischer Wein, schwäbische Maultaschen und Aachener Printen, eure nachhaltige Sparsamkeit und unsere legendäre schwäbische Ausgelassenheit. Da können wir uns wunderbar ergänzen!“ Der Anfang ist gemacht!



(Text: Kolja Linden)



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